13.12.2010 | Berlin
Leitinienprozess soll wissenschaftlich fundierte und flächendeckende Diagnostik dieser schweren Behinderung ermöglichen
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, gab heute den Startschuss für die Erarbeitung einheitlicher Diagnoseleitlinien für das fetale Alkoholsyndrom (FASD) durch die entsprechenden medizinischen Fachgesellschaften.
Dazu erklärt Mechthild Dyckmans: „Bisher existieren in Deutschland keine Standards für die Diagnose des fetalen Alkoholsyndroms. In der Ärzteschaft ist das Wissen um die Krankheit, ihre Symptome und Auffälligkeiten noch nicht weit genug verbreitet. Das muss sich ändern. Nur mit der richtigen Diagnose kann diesen Kindern gezielt geholfen werden. Deshalb habe ich die medizinischen Fachgesellschaften gebeten, wissenschaftlich fundierte Leitlinien für Deutschland auf der Grundlage des neuesten Forschungsstands zu erarbeiten.“
Mit dem heutigen Auftakt wird auch der Dialog zwischen den betroffenen ärztlichen Fachdisziplinen begonnen, der ein gemeinsames Verständnis für die Symptomatik fördert.
FASD ist die häufigste angeborene geistige und körperliche Fehlentwicklung, die nicht genetisch bedingt und zu 100% vermeidbar ist. Sie entsteht durch den Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft und ist unheilbar. Jedes Jahr werden schätzungsweise 10.000 Kinder, darunter 4.000 mit dem FAS-Vollbild geboren. Die Zahl der Kinder mit dem Vollbild des fetalen Alkoholsyndroms FAS ist etwa doppelt so hoch wie die Zahl derer, die mit dem Down-Syndrom geboren werden.
„Neben einer differenzierten Diagnostik geht es mir besonders darum, dass konsequente Hilfen angeboten werden und eine wirkungsvolle Prävention stattfindet“ so die Drogenbeauftragte. „Alkohol muss während der Schwangerschaft tabu sein!“
Kinder mit FASD leiden unter körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, wie Minderwuchs, Hörstörungen, besonders häufig Herzfehlern und Gehirnschäden. Häufig leiden sie unter einer verminderten Intelligenz, Verhaltens-, Lern- und Schlaf-Störungen. Viele Behinderungen zeigen sich erst nach Jahren, wie zum Beispiel Konzentrationsschwächen und ein gestörtes Sozialverhalten. Oft gelten die Kinder mit FASD in der Schule als „hyperaktiv“ und gleichzeitig, aufgrund eines durchschnittlichen IQs von 70, als schlechte Lerner. Betroffene Eltern, darunter sehr viele Adoptiv- und Pflegeeltern, können die Symptome ihres Kindes häufig nicht zuordnen und haben große Schwierigkeiten diese Situation zu bewältigen. Oft haben sie jahrelange Odysseen zu Ärzten und mit Fehldiagnosen hinter sich. In den spezialisierten Diagnosezentren müssen oft lange Wartezeiten in Kauf genommen werden.
Dazu erklärt Prof. Dr. Hans-Michael Straßburg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Würzburg:
„Die definitive Diagnose eines fetalen Alkoholsyndroms kann und darf vor allem bei den weniger ausgeprägten Formen nur durch Zusammenarbeit der zuständigen medizinischen Fachrichtungen und Berufsgruppen erfolgen. Besonderer Berücksichtigung bedürfen neben den körperlichen und kognitiven Befunden vor allem die sorgfältige Analyse des psychosozialen Umfelds, in dem das Kind lebt. Hieraus ergeben sich unter Umständen weitreichende Konsequenzen für die gesamte Familie. Geeignete Institutionen für die Diagnostik sind neben einigen Kliniken und Fachpraxen für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie und Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie vor allem die über 140 Sozial-pädiatrischen Zentren in Deutschland.“
Der Präsident der Gesellschaft für Neuropädiatrie, Prof. Dr. Florian Heinen, Universitätsklinikum München, erklärt dazu:
„Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene die an einem solchen Syndrom leiden, haben es in der Gesellschaft nicht leicht. Nur durch die richtige und frühzeitige Diagnose können diese Menschen rechtzeitig gefördert werden, um das Leben der Betroffenen zu erleichtern. Für Betroffene, Eltern und die betreuenden Ärzte und Sozialpädagogen ist eine klare Diagnose der Ausgangspunkt einer gezielten Behandlung.“
Weitere Informationen zum Thema unter: www.drogenbeauftragte.de.